Die letzten Monate seines Berufslebens hat er sich anders vorgestellt. Gerne hätte Jürgen Groneberg noch ein paar Seminare abgehalten, noch einige spannende Vorträge organisiert, nochmals viele Menschen getroffen und mit ihnen diskutiert. Doch die Corona-Pandemie hat dem 64-Jährigen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.
Im März musste er seinen Veranstaltungskalender schließen. Alles wurde abgesagt. Dabei ist es bis heute geblieben. Ende des Jahres ist für Groneberg nun endgültig Schluss. Er geht in den Ruhestand.
35 Jahre lang hat Groneberg das Evangelische Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen geleitet. Für den gebürtigen Westfalen war das nie ein bloßer Job. Bei ihm floss immer Herzblut mit. Denn für den Diakon steht fest: „Wer sich dem Evangelium verpflichtet fühlt, für den muss die Suche nach Wegen zu einer gerechteren Gesellschaft die Leitlinie seiner Arbeit sein. Jesus stand immer auf der Seite der Armen und aller anderen, die unter die Räder gekommen sind.“
Groneberg hat seinen Glauben versucht weiterzugeben – in klassischen Weiterbildungsseminaren, vor allem aber durch immer neue Vortrags- und Diskussionsreihen. Wenn in Aachen, der Städteregion oder der Eifel kritische und unbequeme Geister auftraten, dann hatte häufig der Kirchenmann die Finger mit im Spiel – oft in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wie Attac, der Hochschule oder dem Aachener Institut für Philosophie und Diskurs Logoi.
Die Liste von Gronebergs Gästen ist lang und mit vielen prominenten Namen gespickt: Unter anderem waren Politiker und Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht von der Linken und Burkhard Hirsch von der FDP da, Kirchenleute wie Friedrich Schorlemmer und Kirchenkritiker wie Eugen Drewermann, vorgetragen hat der Ökonom Heiner Flassbeck ebenso wie (mehrfach) der Armutsforscher Christoph Butterwegge.
Groneberg hatte auch den Mut, 2011 die Nakba-Ausstellung nach Aachen zu holen. Sie stellte die Ereignisse rund um die Gründung des Staates Israel aus palästinensischer Sicht dar – was prompt zu heftigen Angriffen von israelnahen Gruppen auf die Dokumentation führte, die teilweise deutlich unter die Gürtellinie gingen.
Während Groneberg zu dieser Veranstaltung auch heute noch uneingeschränkt steht und sagt, „ich bin froh, dass wir das damals trotz aller Widerstände gemacht haben“, ist er zu einem weiteren ehemaligen Gast auf Distanz gegangen. „Ken Jebsen würde ich nicht mehr einladen“, sagt der 64-Jährige. Nicht wegen der Inhalte, die der oft in die Kategorie Verschwörungstheoretiker eingestufte Publizist vertritt. „Über sie kann man durchaus diskutieren“, sagt Groneberg. „Mich hat vielmehr seine rüde und unwirsche Art gestört, mit der er bei der Veranstaltung in Aachen auf Kritiker reagierte.“
Denn auf eines achtete Groneberg immer: „Ich wollte wichtige politische Standpunkte vorstellen, die in der öffentlichen Debatte nur am Rand thematisiert wurden. Diese möglichst breite Diskussion sollte jedoch respektvoll ablaufen. Jeder sollte auch die Vertreter anderer Positionen ernst nehmen und ihnen zuhören.“
Doch diese Debattenkultur hat in den Augen von Groneberg in den vergangenen Jahren deutlich gelitten: „Wenn es nur noch darum geht, wer am Ende einer Diskussion als Sieger die Arena verlässt, dann läuft etwas schief.“ Nein, es werde viel zu wenig zugehört, viel zu schnell bekämen Leute ein Etikett auf die Stirn geklebt, viel zu selten würde eine Diskussion in Nachdenklichkeit münden.
Groneberg war immer ein politischer Mensch, nie aber Mitglied einer Partei. Er habe sich in seiner Position ein gewisses Maß an Unabhängigkeit bewahren wollen, sagt der 64-Jährige. So soll es auch bleiben. Zurückgezogen hat es ihn zu den eigenen Wurzeln, ins Westfälische, nach Lüdinghausen. Von dort aus will er den Lauf der Dinge weiterverfolgen – auch mit einem Blick nach Aachen, auch mit besten Wünschen für seine Nachfolgerin Gunhild Großmann. Und Groneberg ist sich auch sicher: „Nach einer kurzen Zeit des Ausspannens werde ich mich bestimmt wieder irgendwo politisch engagieren.“
(Text: Joachim Zinsen; Verwendung mit freundlicher Genehmigung der Aachener Nachrichten und des Autors; dieser Artikel erschien in den Aachener Nachrichten am 29.12.2020, www.aachener-nachrichten.de )
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